Hrg: Sibylle Ferner & Dirk Strauch

Dies krönt das Innerste

Sonette enlischer Romantiker

In neuen Nachdichtungen

 

Zweisprachig

170 Seiten

7,90 €

 

 

Vorwort

Der eine oder andere Leser, der dieses Buch in die Hand nimmt, ist vielleicht der Auffassung, dass Lyrik unübersetzbar sei. In gewisser Hinsicht mag das nicht zu bestreiten sein, und über Aspekte, die bei einem Übersetzungsversuch häufig verloren gehen, ist schon ausführlich geschrieben worden. Mancher Leser wird dagegen vielleicht auch feststellen, dass eine Übersetzung nicht so unmöglich ist, wie er zunächst angenommen hatte. Es ist mitunter erstaunlich, wie weit eine Übertragung sich dem Original annähern kann. Übersetzer sind in erster Linie bestrebt, den Lesern, die der Originalsprache nicht oder nur unzureichend mächtig sind, die Dichtung eines anderen Sprachraums näher zu bringen. Dabei wird das Original naturgemäß umgeschrieben, um der neuen Leserschaft Zugang dazu zu verschaffen.

            Die Übersetzung einer Lyrik, die vor weit über 100 Jahren verfasst wurde, versetzt uns außerdem auch in ein anderes Zeitalter. Das Leben war damals anders, die Menschen dachten über andere Dinge nach und sahen ihre Welt mit anderen Augen. Auch das ist eine Form der Übersetzung von einem Zeitalter in ein anderes.

Die Übersetzung von Lyrik stellt höchste Anforderungen an den Übersetzer. Es ist nicht genug, den Inhalt des Originaltextes wiederzugeben, denn die lyrische Form ist untrennbar mit ihrem Inhalt verknüpft. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um eine so strenge Form handelt wie beim Sonett.

Im vorliegenden Band mit Sonetten der englischen Romantik waren die Übersetzer bemüht, der Form ebenso Rechnung zu tragen wie dem Inhalt der Originaltexte. Dass die Übertragungen im Deutschen wiederum in Sonettform erscheinen, war eine Grundbedingung. Dennoch kamen wir nicht umhin, dem Inhalt zuliebe auch bei der Form mitunter Kompromisse zu machen. Das umschlingende Vierer-Reimschema, abba – abba, ließ sich nur in Ausnahmefällen erhalten. Da es jedoch auch im Englischen durchaus nicht in allen Fällen vorlag, schien das ein annehmbares Zugeständnis zu sein.

Bei Zeilenlänge und Versmaß waren ebenfalls keine allzu großen Abweichungen zulässig. Dabei ergibt sich das Problem, dass das Englische erstaunlich „einsilbig“ ist, während allein die Deklinations- und Konjugationsendungen des Deutschen zusätzliche Silben verlangen. Andererseits neigen die Dichter der Romantik häufig zu inhaltlichen Wiederholungen, wo deutsche Übersetzer Silben einsparen können, ohne allzu große inhaltliche Einbußen hinnehmen zu müssen. Es war jedoch nicht immer möglich, alle Einzelheiten zu erhalten. Hier waren ständig schwierige Entscheidungen zu treffen und Prioritäten zu setzen.

Lyrik zu übersetzen, heißt fraglos auch selbst zu dichten. Der Übersetzer wird zum Rivalen des Originaldichters, auch wenn er in seiner eigenen Sprache mit einem anderem Rohstoff arbeitet, der einerseits einschränkt, aber andereseits auch neue Möglichkeiten eröffnet. Es stellt sich also mitunter auch die Frage, ob der Originaldichter sich diese Möglichkeiten zunutze gemacht hätte, wenn seine Sprache sie geboten hätte. Andererseits ist stets darauf zu achten, dass die dichterische wie die übersetzerische Freiheit nicht ungebührlich in Anspruch genommen wird. Sonst gerät der Übersetzungsversuch sehr schnell zu einer Aneignung, die zwar einen Grundgedanken mit dem Original gemeinsam hat, aber den Originaldichter kaum mehr erkennen lässt.

Die Übersetzung von Lyrik ist somit in besonderem Maße eine hybride Neuschöpfung, bei der Gewinne wie Verluste zu verbuchen sind. Um dem Leser, der der englischen Sprache zumindest teilweise mächtig ist, einen Einblick zu geben, wurden die Originalversionen in den vorliegenden Band mit aufgenommen.

Bei der Auswahl sollten nicht nur die bekanntesten Dichter der englischen Romantik zu Wort kommen, sondern vor allem auch unbekanntere, bisher nicht übersetzte Sonettisten. Jeder Dichter ist zudem mit nicht mehr als drei Sonetten vertreten. Außerdem wurde darauf geachtet, auch die vielfach weniger beachteten Damen der Sonettwelt mit aufzunehmen.

Es wird kein Anspruch auf eine „repräsentative“ Auswahl erhoben, denn jede Auswahl bringt notgedrungenermaßen eine persönliche Note mit ins Spiel. Es wird auch nicht behauptet, dass die Sonette dieser Anthologie „die besten“ ihrer Zeit seien. In ihrer Gesamtheit spiegeln sie jedoch ein Bild der englischen Romantik wider, und es bleibt zu  hoffen, dass der geneigte Leser Gefallen daran finden mag.

 

Sibylle Ferner

 

 

 

Charlotte Smith
The Gossamer

Over faded heath-flowers spun, or thorny furze,
The filmy gossamer is lightly spread;
Waving in every sighing air that stirs,
As fairy fingers had entwined the thread:


A thousand trembling orbs of lucid dew
Spangle the texture of the fairy loom,
As if soft sylphs, lamenting as they flew,
Had wept departed summer's transient bloom:


But the wind rises, and the turf receives
The glittering web:--So, evanescent, fade
Bright views that youth

with sanguine heart believes:


So vanish schemes of bliss, by fancy made;
Which, fragile as the fleeting dews of morn,
Leave but the withered heath, and barren thorn!

 

 

Ü: ZaunköniG
Mariengarn

Auf dürren Ginster spannen sich und Heide
leicht ausgedehnte Silberschleier, licht
verwogend in der trüben Luft. Es flicht
ein zartes Händepaar die feinste Seide.

Eintausend Sterne blinkt der Tau hervor;
sie schmücken die Textur im Weberrahmen
als ob dort Sylphen klagten, und es kamen
die Tränen ob dem welken Blütenflor.

Doch Wind frischt auf, das öde Moor empfängt
die Netze, flüchtig, so wie die verlornen
Phantasien, zu denen stets die Jugend drängt.

So stirbt ein Plan, den man im Glück gemacht,
der so fragil wie Tau nach einer kühlen Nacht
verläßt am Tag die Heide und die Dornen.

 

 

William Wordsworth
To Catherine Wordsworth 1808-1812

 

Surprised by joy – impatient as the wind
I turned to share the transport – Oh! With whom
But Thee, deep buried in the silent tomb,
That spot which no vicissitude can find?

Love, faithful love, recalled thee to my mind –
But how could I forget thee?

Through what power,

Even for the least division of an hour,
Have I been so beguiled as to be blind,

To my most grievous loss! - That thought's return
Was the worst pang of sorrow ever bore,
Save only one, when I stood forlorn,

Knowing my heart’s best treasure was no more;
That neither present time, nor years unborn
Could to my sight that heavenly face restore.

 

 

 

 

 

Ü: Sibylle Ferner
An Catherine Wordsworth 1808-1812
 

Freudig überrascht – schau ich wie der Wind,
wen ich hier in der Kutsche bei mir hab’ –
Oh Dich! versunken dort im stillen Grab,
wo Unbeständigkeit dich niemals find’?

In Liebe, Treue deiner mich entsinnt –
Doch wie könnt’ ich vergessen, welche Macht
erlaubt’s selbst für Minuten in der Nacht,
war ich denn so betört, ja, sogar blind,

für den Verlust so schwer!– dass sein Gedenken
nur unter größtem Schmerz war zu ertragen,
und größ’rer noch, als ich mich sah verloren,

erkannte, dass mein Herz dein muss entsagen,
dass weder Gegenwart noch Jahre ungeboren
das liebe Antlitz mir einst wiederschenken.

 

 

 

Robert Southey

 

 

Hold your mad hands! for ever on your plain
Must the gorged vulture

clog his beak with blood?

For ever must your Niger's tainted flood,
Roll to the ravenous shark his banquet slain?

Hold your mad hands!

and learn at length to know,

And turn your vengeance on the common foe,
Yon treacherous vessel and her godless crew!
Let never traders with false pretext fair

Set on your shores again their wicked feet:
With interdict and indignation meet
Repel them, and with fire and sword pursue!

Avarice, the white cadaverous fiend, is there,
Who spreads his toils accursed wide and far,
And for his purveyor calls the demon War.

 

 

 

 

Ü: sneaky

 

 

 

Macht Schluß dem Wahn. Soll das Savannenland
auf ewig Hort für fette Geier sein?,
der Niger rotbefleckt jahraus jahrein,
der Fluss in dem der Hai ein Festmahl fand?

Macht Schluß dem Wahn, erwacht!

bekämpft euch nicht,

bekämpft die Schiffe, ihre Höllencrew,
sie sind euch allen Feind. Lasst nicht mehr zu
dass einer ihrer Händler zu euch spricht.

sie lügen alle. Weist sie stets zurück,
von euren Küsten, gebt kein Handbreit nach,
und rottet sie mit Feuer aus und Schwert.

Der weiße Satan Gier hat euch im Blick,
er bringt nur Elend unter jedes Dach,
er rafft Gewinn wenn Krieg das Land verheert.